Von Andreas Nettsträter | Fraunhofer IML – Digitale Lösungen zur Arbeitsorganisation dienen dazu, die neue Form der Zusammenarbeit von Mensch und Technik in der Social Networked Industry für die Mitarbeiter so unkompliziert und natürlich wie möglich zu gestalten. Im Fokus steht die Entwicklung eines »intelligenten Regals«, das mit dem Menschen kommuniziert und sein Stresslevel erkennt. Die Wirtschaft ist bereits hochgradig daran interessiert, das Produkt zu testen.

Arbeitsorganisation gilt heute vielfach als Schlüsselkomponente für den Erfolg von Industrie 4.0. Der Mensch muss hier – wie auch bei der Entwicklung hybrider Dienstleistungen im Innovationslabor – einmal mehr im Fokus stehen. Als »kognitiver Alleskönner« ist er in der Arbeitswelt der Zukunft unersetzbar. Deshalb gilt es, sich auch bei der Organisation von Arbeit in einem flexiblen technologischen Umfeld auf seine Fähigkeiten und seine Bedürfnisse einzustellen. Eine der zentralen Forschungsfragen lautet daher: Wie lässt sich die Arbeitsorganisation so gestalten, dass sich Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter unter Berücksichtigung ihres individuellen körperlichen und geistigen Leistungsvermögens verbessern?

Bei der Entwicklung neuer Lösungen zur Arbeitsorganisation in der Social Networked Industry sind digitale Technologien längst nicht mehr wegzudenken. Zwar weisen Arbeitsforscher und Soziologen sicherlich nicht zu Unrecht darauf hin, dass die immer ergonomischere Mensch-Technik-Interaktion erst zu jener Verdichtung von Arbeit führt, die überhaupt eine neue Arbeitsorganisation erforderlich macht. Gleichwohl ist die Digitalisierung der Arbeitsorganisation eine logische Konsequenz der Social Networked Industry – immer unter der Maßgabe einer menschengerechten Gestaltung.

Bei der Entwicklung neuer Lösungen zur Arbeitsorganisation in der Social Networked Industry sind digitale Technologien nicht mehr wegzudenken.

Tatsache ist: Arbeitszeit- und Pausenmodelle werden sich (nicht nur) in der Social Networked Industry verändern müssen. Schon heute lassen Mitarbeiter in Logistik und Produktion beispielsweise Pausen ausfallen, unterbrechen sie oder nehmen sie zu spät, weil sich ihre Arbeit verdichtet hat oder weil die Anforderungen an die Arbeit – insbesondere in informatorischer und damit psychischer Hinsicht – gestiegen sind. Die Folgen reichen von kurzfristigen negativen körperlichen und mentalen Beanspruchungen über Unfälle bis hin zu einem steigenden Risiko für Erkrankungen. Mitarbeiter fallen aus – oder sind so frustriert, dass sie dem Unternehmen den Rücken kehren. Diese Problematik lässt sich in der Logistik vornehmlich in der Intralogistik beobachten. Dabei zeigen sich übrigens deutliche Parallelen zur aktuellen Situation in der Pflege.

Intelligentes Regal organisiert Arbeit digital

Wenn in der Logistik heute die Rede vom intelligenten Regal ist, dann als Baustein eines modernen Warenmanagements. Regale „melden“ sich, wenn Waren fehlen, bestellen eigenständig Nachschub und füllen sich so selbst wieder auf. Die Forscher im Innovationslabor Hybride Dienstleistungen in der Logistik entwickeln nun jedoch ein intelligentes Regal als Herzstück der Arbeitsorganisation. Dieses Regal soll dafür sorgen, dass Arbeit flexibler organisiert werden kann, indem der Mensch – als Dirigent des Systems – flexibler arbeiten kann. Zu den Hauptfunktionen des intelligenten Regals wird die Erkennung von Mitarbeitern und die Kommunikation mit den Mitarbeitern gehören. Regal und Mitarbeiter werden sich dabei über ein Display, über Gesten und auch mittels natürlicher Sprache verständigen können. Insbesondere geht es darum, dass das Regal das Stresslevel jedes Mitarbeiters erkennen kann. Danach sollen Pausen individuell und auf physiologischen Stressparametern basierend empfohlen werden.
Konkret wird das Regal mit Kameras, Sensoren oder Mikrofonen ausgestattet, die Mitarbeiter erhalten entsprechende digitale Helfer. Damit lassen sich Parameter wie Schweiß, Puls oder Blutdruck – und damit die physische und psychische Belastung – messen. Die Systeme sollen eine gewisse Intelligenz erhalten, um die verschiedenen Parameter zu gewichten. Auch hier ist die Logistik ganz nah bei der Pflege. Das System soll neben Müdigkeitswarnungen – wie heute schon im Auto – auch konkrete Empfehlungen für die weitere Arbeitsorganisation aussprechen können, etwa zum Einsatz von Arbeitshilfsmitteln wie Exoskeletten, die ebenfalls im Innovationslabor erprobt werden.

Namhafte Unternehmen haben bereits ihr Interesse an den digitalen Lösungen zur Arbeitsorganisation signalisiert.

Mit dem intelligenten Regal erfolgt so im Rahmen der Projektverlängerung des Innovationslabors bis Ende 2020 ein wichtiger Brückenschlag von der Entwicklung von menschengerechten Hightech-Lösungen für effiziente Arbeitsprozesse hin zu Produkten für eine humanzentrierte digitale Arbeitsorganisation. Namhafte Unternehmen haben bereits ihr Interesse an den digitalen Lösungen zur Arbeitsorganisation signalisiert und wollen den Technologie-Demonstrator im betrieblichen Umfeld testen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung in die Praxis wird der Umgang mit den gewonnenen Daten der Mitarbeiter sein. Grundsätzlich ist dabei sicherzustellen, dass sämtliche Werte das Umfeld nicht verlassen und nicht an zentrales System weitergegeben werden.

Dortmund, Juli 2019

Über den Autor

Andreas Nettsträter, Abteilung Strategische Kooperationen und Netzwerke am Fraunhofer IML, zeichnet für Netzwerkmanagement und Wissenstransfer im Innovationslabor verantwortlich.