15. Februar 2018 – Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen haben jetzt in einem ersten gemeinsamen Workshop im Rahmen des Innovationslabors Hybride Dienstleistungen in der Logistik verschiedene Sichtweisen auf Arbeit in der digitalisierten Logistik miteinander verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Perspektiven von Ingenieuren, Soziologen und Psychologen oftmals gar nicht so weit auseinanderliegen. Von einer stärkeren Zusammenarbeit jedoch würden alle Disziplinen profitieren, betonten die rund 20 Teilnehmer und verabredeten einen noch intensiveren Austausch untereinander sowie konkrete Projekte. Den Workshop hatte die Sozialforschungsstelle der Technischen Universität Dortmund angeregt und gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik sowie weiteren Partnern durchgeführt.

In dem Workshop standen insgesamt vier Konzepte zur Diskussion. Alle verfolgen eine humanzentrierte Gestaltung der Arbeitswelt von morgen. Gemeinsam ist den Konzepten ebenfalls, dass sie auf dem Ansatz des soziotechnischen Systems beruhen. Prof. Dr. Hartmut Hirsch-Kreinsen nutzte seinen Vortrag zum Thema »Social Manufacturing and Logistics – Leitbild digitaler Arbeit« dazu, den in den 1950er Jahren entwickelten Ansatz und seine Relevanz für Industrie 4.0 näher zu erläutern. Dabei verwies er insbesondere auf die Bedeutung der Schnittstellen Mensch-Technologie, Mensch-Organisation und Technologie-Organisation als zentrale Gestaltungsräume für Arbeit 4.0 und – im Ergebnis – für ein Leitbild von Arbeit 4.0. Gleichwohl zeigte Hirsch-Kreinsen auch offene konzeptionelle Fragen des soziotechnischen Ansatzes auf – insbesondere in Bezug auf dessen Komplexität. Sie führe angesichts praktischer betrieblicher Anforderungen und des vorherrschenden Rationalisierungsverständnisses von Unternehmen zu Umsetzungsproblemen.

»Mit der technischen Perspektive allein kommen wir heute nicht mehr weiter«

Andreas Nettsträter vom Fraunhofer IML, im Innovationslabor verantwortlich für den Bereich Netzwerkmanagement und Wissenstransfer, verdeutlichte in seinem Vortrag zum Leitbild „Social Networked Industry“ das hohe Interesse von Ingenieuren und Informatikern daran, den Mensch in den Mittelpunkt der technischen Entwicklung zu stellen: »Wir sehen, dass wir mit der technischen Perspektive allein heute nicht mehr weiterkommen. Neue Technologien müssen den Menschen unterstützen. Daher sollten beispielsweise schon in die Entwicklungsphase von Software Nutzererfahrungen einfließen, um Produkte und Prozesse frühzeitig an die Bedürfnisse, Kenntnisse und Erfahrungen der Menschen anzupassen – und nicht erst nach dem Roll-out.« Die Social Networked Industry ist eine positive Zielvision von Industrie 4.0, die im Rahmen eines Forschungsprojekts der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt wurde und derzeit am Fraunhofer IML mit Projekten und Leben gefüllt wird.

»Digitalisierung muss sich dem Menschen anpassen«

Die Kognitive Ergonomie hat dabei den Menschen als Individuum im Blick. Dr. Gerhard Rinkenauer vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) erläuterte neben den grundlegenden Gegenständen und Zielen des Forschungsfelds auch spezielle Verfahren und Methoden zur Messung von kognitiver Belastung. Als besondere Herausforderung der Digitalisierung verwies er darauf, dass Ansätze zur Aufteilung von Mensch-Maschine-Aufgaben, wie sie schon im Kontext der Automatisierung geführt wurden, jetzt vermieden werden sollten: »Wenn der Mensch im Zentrum steht, dann sollte sich die Digitalisierung möglichst ihm anpassen.«

Mit dem Konzept »Workplace Innovation«, das im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts entwickelt wurde, lenkte Prof. Dr. Steven Dhondt von TNO, der niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung, die Aufmerksamkeit der Teilnehmer schließlich noch auf eine weitere Frage: die nach der Rolle der Organisation – verstanden als Summe von Unternehmen und Mitarbeitern – im Digitalisierungsprozess. Sein Credo: »Erst organisieren, dann automatisieren.« In den Niederlanden sei es von besonderer Bedeutung, in den Unternehmen eine Innovationskultur zu schaffen und die Mitarbeiter mitzunehmen. Denn: Angesichts eines rapiden Anstiegs flexibler Arbeitsverhältnisse (z.B. zeitliche Befristung oder Ich-AGs) in den vergangenen Jahren (von 10 % in 2000 auf 30 % heute) sei die Bereitschaft der Mitarbeiter, Veränderungen im Unternehmen mitzugestalten, nicht sonderlich hoch.